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In manchen asiatischen Bewegungskünsten steht die Entspannung wesentlich mehr im Vordergrund des Übens als im Judotraining. Als Judoka sollten wir deshalb den “Blick über den Zaun” nicht scheuen. Die von mir im folgenden vorgestellten Acht-Brokat-Obungen (Ba-duan-dchin) sind einfache Bewegungsübungen der chinesischen Heilgymnastik (Qigong). Sie sind schnell und leicht zu erlernen und wirken nicht so fremdartig wie die längeren Folgen des Taichichuans. Der Entspannungswert dieser Übungen liegt in der bewußten Koordination von Atmung und Bewegung und in der
gelenkten Aufmerksamkeit für die Wirkung auf den Körper, die von den einfachen Bewegungen ausgeht. Die Übungen eigenen sich zum Trainingsausklang oder, nach einigem Üben, nach dem Aufstehen zu hause oder bei der Rast bei längeren
Autofahrten. Das chinesische Taichichuan wird von Zeit zu Zeit immer wieder einmal für ältere Judoka propagiert. Taichi wird von diesen Fürsprechern als ideale “Alterssportart”, quasi als Judoersatz, gesehen. Aus mehrerer Gründen
erscheint mir diese Einstellung zum Taichi nicht realistisch zu sein:
Aus den genannten Überlegungen heraus können Taichi oder auch andere (Budo-) Sportarten den Judounterricht lediglich ergänzen. Einige Übungshinweise:
Wie bei vielen chinesischen Übungen des Taichi oder Qigong gibt es aufgrund der Vielzahl von Lehrern und Schulen verschiedene Beschreibungen und Ausführungsvarianten. Die von mir beschriebenen Formen habe ich so kennengelernt
wie ich sie hier beschreibe. Die Leser mögen sich nicht daran stören, daß in anderen Texten die Übungen leicht abgewandelt dargestellt werden: Die Wirkung der Übung ist entscheidend. 1. Übung: Beide Hände stemmen den Himmel
hoch, um die drei dchiao zu regeln Stehe mit nahezu geschlossenen Füßen, leicht gebeugten Knien und geradem Rücken. Die Arme hängen locker an der Seite, die Brust wird nicht nach vorne gestreckt, der untere Rückenbereich ist
flach, d.h. das Becken nicht nach vorne geschoben und der Po nicht nach hinten herausgestreckt. Hebe mit dem Einatmen beide Arme, die Hände sind mit den Handflächen nach oben gedreht, zunächst in die Waagerechte (Abb. 1), dann über
den Kopf. Falte dort die Finger, die kleinen Finger zeigen dabei nach vorne (Abb. 2).
Drehe die Handflächen nach oben. Die Daumen sind nunmehr vorne, gleichzeitig werden die Ellenbogen gestreckt. Strecke den ganzen Körper und hebe die Fersen
möglichst weit hoch (hoher Zehenstand) (Abb. 3). "Stemme den Himmel hoch!" Löse mit dem Ausatmen die Finger, senke die Fersen wieder ab und führe die
Arme langsam seitlich, mit den Handflächen nach unten gedreht, abwärts (Abb. 4).
2. Übung: Links und rechts den Bogen spannen, als ob ein Adler abzuschießen wäre
Nimm einen tiefen, über schulterbreiten Stand ein, die Füße sind dabei parallel, die Knie über den Fußspitzen. Hebe mit dem Einatmen die Arme vor dem Körper bis in
Schulterhöhe hoch, so daß die Ellenbogen mit Knien und Fußspitzen ein Quadrat bilden (Abb. 5/6). Hilfreich ist die Vorstellung, man sei ein Reiter oder sitze auf einem Stuhl.
Hinweis: Wenn diese tiefe Stellung am Anfang noch nicht gelingt, kann man sich langsam "herantasten" und zunächst eine bequemere, nicht ganz so tiefe Ausgangsstellung einnehmen.
Mit dem Ausatmen drückst du zunächst den imaginären Bogen mit dem linken Arm in einer Halbkreisbewegung zur linken Seite bis dieser Arm vollkommen ausgestreckt ist (Abb. 7); ziehe gleichzeitig mit dem rechten Arm eine imaginäre
Bogensehne in Schulterhöhe so weit wie möglich zurück. Ein oder zwei Finger der "Bogenhand" zeigen dabei nach oben und zielen auf den "Adler", die Augen
visieren ihr Ziel an (Abb. 8). Im Zustand der größten Streckung schnellt der Pfeil ab. Führe die Arme mit dem Einatmen wieder in Schulterhöhe vor den Körper zurück und wiederhole dieselbe Bogenbewegung nach rechts.
3. Übung: Die Hände einzeln hochheben, um Milz und Magen zu entlasten Nimm dieselbe Ausgangstellung ein wie in Übung l. Diemal hebe nur den linken
Arm, wie in Übung 1 beschrieben, mit dem Einatmen über den Kopf ( Abb. 9). Oben angekommen drehe die Handfläche zum Himmel, während du die Handfläche des herabhängenden Armes mit dem Handballen/-fläche in Richtung Boden drückst
(Abb.10/11). Entspanne dich mit dem Ausatmen und führe den linken Arm wieder langsam nach unten. Wiederhole die Übung mit dem rechten Arm.
4. Übung: Um die Fünf Mühsale und sieben Beschwerden zu lindern, schaut man nach hinten Mit dem Ausatmen drehe den Kopf soweit es geht, jedoch ohne zu verkrampfen,
zuerst langsam zur linken Seite (Abb. 12). Drehe Brust- und Schultergürtel dabei nicht mit. Fixiere mit den Augen einen Punkt, der möglichst weit hinter der
Brust-Schulter-Linie liegt. Mit dem Einatmen drehe den Kopf wieder in die Mittellinie zurück und wiederhole die Übung zur anderen Seite. Nach E.Stiefvater sind die fünf
Mühsale: "Zu langes Sehen schädigt das Blut, zu langes Liegen schädigt das Chi, zu langes Sitzen schädigt das Fleisch, zu langes Stehen schädigt die Knochen, zu langes Gehen schädigt die Sehnen."
5. Übung: Den Kopf wiegen und mit den Schwanz wedeln wie ein Fisch, um das Feuer von Herzen zu leeren
Nimm wie in Übung 2 die Reiterstellung ein. Stütze dich mit den Händen leicht auf den Knien auf (Abb. 13). Beuge nun den Oberkörper mit dem Ausatmen möglichst
weit nach links über das linke Knie, beuge dabei den linken Ellenbogen, der rechte Arm streckt sich von selbst, das Gesäß dreht sich automatisch nach rechts (Abb. 14). Beuge den Kopf nach vorne unten und führe den Oberkörper in einer kreisförmigen
Bewegung zunächst in eine Mittelposition (Abb. 15) und dann weit nach rechts. Dort beuge den rechten Ellenbogen ein, der linke Arm streckt sich von selbst, das Gesäß
dreht sich automatisch nach links. Richte mit dem Ausatmen den Oberkörper auf und beuge dabei den Kopf nach oben hinten ( Abb. 16). Drehe dabei die Ellenbogen weit nach vorne. Mit dem Einatmen nimmst du wieder die
Ausgangsstellung ein.
6. Übung: Siebenmal die Fersen hinterm Rücken hochheben, um die hundert Leiden abzuwenden Aus der Ausgangsstellung von Übung 1 (Abb. 17) hebe langsam mit dem Einatmen
die Fersen vom Boden und gehe in einen hohen Zehenstand (Abb. 18), mit dem Ausatmen senke die Fersen wieder ab. Wiederhole die Übung insgesamt siebenmal.
7. Übung: Die Fäuste schließen und mit den Augen funkeln: Damit werden die Kräfte vermehrt Hebe aus der tiefen Reiterstellung mit dem Einatmen beide Arme angewinkelt hoch
und balle die Hände zu lockeren Fäusten (Abb. 19). Mit dem Ausatmen stoße langsam, ohne ruckartige Bewegungen, wie ein Karateka abwechselnd mit der linken und rechten Faust dreimal nach vorne (Abb. 20). Mit dem Einatmen nimm die Fäuste wieder neben den Körper und mit dem
Ausatmen schlage links und rechts zur Seite (Abb. 21). Während des Stoßes wird der Arm gedreht, die Faustinnenseite zeigt zum Schlagende nach unten. Mache die
Augen beim Schlagen groß, "bohre deinen Blick in den Gegner", "wie ein Tiger erregt und funkelnd seine Beute fixiert" (Stiefvater, S.34).
8. Übung: Die Hände ergreifen die Füße, so werden Nieren und Hüfte gestärkt Hebe die Arme wie in Übung 1 bis über den Kopf. Über dem Kopf werden die
Handflächen nach vorne gedreht und die Hände gestreckt (Abb. 22/23/24).
Mit dem Ausatmen beuge nun den Oberkörper soweit nach unten, daß deine Fingerspitzen die Fußsohlen berühren, die Ferse umfassen können (oder am Anfang die Waden) (Abb. 25). Richte den Oberkörper wieder zur Ausgangsstellung mit dem Einatmen auf.
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