Übergang vom Stand- zum Bodenkampf (Kennzeichnung und Verhaltensweisen) Gezielte Wettkampfanalysen haben ergeben, dass pro Judokampf durchschnittlich 4 bis 6 Ereignisse auftreten, bei denen die Kämpfer auf
eine Weise vom Stand zum Boden gelangen, wo eine unmittelbare Fortsetzung der Aktionen für einen der Kämpfer deutliche Vorteile und Möglichkeiten zu Wertungen gebracht hätte (RADFAN 1987). Die bewusste Nutzung bzw. Herausarbeitung
dieser Übergänge kann also kampfentscheidende Bedeutung haben. Sie sind Bestandteil einer modernen, siegorientierten Kampfesweise und haben einen festen Platz in den individuellen Kampf- und Trainingskonzeptionen leistungsstarker
Judokas. Unter den Trainern und Übungsleitern sind die Vorstellungen zu diesem bedeutsamen Teilbereich des Judokampfes differenziert. Das Verständnis ist häufig noch darauf eingeengt, nur Angriffe zum Erzwingen des Bodenkampfes
mittels Aktionen, die nicht im klassischen Sinn als Judotechniken gelten, darunter zu zählen. Wir meinen, dass solche Auffassungen die Vielfalt der Situationen, bei denen die Kämpfer vom Standkampf in den Bodenkampfgelangen,
nicht berücksichtigen. Zum anderen wird der Bezug zu den Wettkampfregeln vernachlässigt. Die ausführliche Bestimmung der regelgerechten Möglichkeiten des Übergangs zu Ne-waza (Bodenarbeit) im Artikel 16 der Kampfregeln der
Internationalen Judo-Föderation widerspiegelt nicht zuletzt den Stellenwert dieser Kampfphasen. Obwohl diese Übergänge ein breites Feld für eine wirksame und originelle Kampfgestaltung bieten, ist es erstaunlich, dass der
Übergang vom Stand- zum Bodenkampf in der Fachliteratur nur wenig Berücksichtigung findet. Nur in einigen Büchern (z.B. OKANO 1976) findet man Beschreibungen von einzelnen ausgewählten technischen Lösungen Eine erste Voraussetzung
für gezielte methodische Ableitungen zur Entwicklung der Befähigung, den Übergang vom Stand- zum Bodenkampfwirksam zu beherrschen, ist die Einordnung und Eingrenzung dieser Kampfphasen. Vorschläge zur näheren Kennzeichnung dieses
Kampfabschnittes haben FRIEDRICH u.a. (1977) und LEHMANN; MÜLLER-DECK (1987) erarbeitet. Unter Beachtung dieser Portionen und auf Grundlage weiterer zielgerichteter Untersuchungen von RADFAN (1987) wird im folgenden dargestellt:
Wir beabsichtigen damit einen Beitrag zu einer Vervollkommnung und auch Vereinheitlichung der Auffassungen über dieses wichtige Bindeglied zwischen den beiden großen Bereichen Stand- und Bodenkampf.
Beschreibung der Kampfphase "Übergang vom Stand- zum Bodenkampf” Der Übergang vom Stand- zum Bodenkampf ist stets Teilergebnis des Standkampfes und notwendige Voraussetzung für den Beginn des Bodenkampfes. Er ist
durch einen komplexen, dynamischen, sich schnell vollziehenden Situationsverlauf charakterisiert. Bei durchschnittlich 4 - 6maligem Auftreten pro Kampf wurden bei einer Kampfzeit von effektiv 5 Minuten ein Zeitumfang von etwa 20
Sekunden ermittelt. Das entspricht einem Anteil von 6% der gesamten Kampfdauer. Trotz dieser relativ kurzen Zeit - im Einzelfall von wenigen Zehntel bis mehreren Sekunden - hat die gezielte Nutzung oder Nichtbeachtung oftmals
kampfentscheidende Folgen. Unter Berücksichtigung räumlich-dynamischer Vollzugsmerkmale formulieren wir folgende Begriffsbestimmung der Kampfphase "Übergang vom Stand- zum Bodenkampf": Durch eigene
Aktivität oder durch Einwirkung des Gegners verliert mindestens einer der beiden Kämpfer sein Gleichgewicht, berührt in Folge dessen mit mindestens einem Körperteil oberhalb der Knie die Matte und gelangt somit in die Bodenlage.
Übernimmt in unmittelbarer Folge auf diese Aktion einer der Kämpfer die Offensive oder führt seine im Stand begonnene Angriffsaktion kontinuierlich fort, so ist der Übergang mit - der Kontrolle eines Kämpfers über seinen Gegner bzw.- mit sofortigem Ansatz einer Bodengrifftechnik bzw. - mit Beginn des Bodenkampfes abgeschlossen. Der Übergang wurde nicht genutzt bzw. nicht durchgeführt, wenn folgende Merkmale auftreten:
Die Übersicht (Verlaufsmodell Übergang vom Stand- zum
Bodenkampf)
fasst das Spektrum der durch die jeweils unterschiedlichen Aktivitäten beider Kämpfer gekennzeichneten Übergangsmöglichkeiten zusammen. Damit soll zunächst eine möglichst vollständige Übersicht zum Ablauf und den auftretenden Aktivitäten und Positionen geschaffen werden.
Verlaufsmodell Übergang vom Stand- zum Bodenkampf Von besonderem Interesse für die Einordnung und Kennzeichnung des individuellen, durch das technische Repertoire und die bevorzugte
Kampfesweise jedes Kämpfers bestimmte Verhalten beim Übergang vom Stand- zum Bodenkampf ist die Stellung beider Kämpfer zueinander während und unmittelbar nach der 2. Übergangsphase. Dieser kurze Moment bietet den entscheidenden
Ansatzpunkt für die Folgehandlungen, in der Bodenlage. Die räumliche Einteilung der Positionen beider Kämpfer zueinander ist dabei ein hilfreiches Ordnungsmittel, denn
Das bedeutet: Die Vielzahl verschiedener möglicher Wurftechniken oder anderer Aktionen im Stand und die Vielzahl möglicher Bodentechniken kreuzen sich in den dargestellten Positionsklassen. Damit kann der Umfang der
vom Sportler zu erkennenden und zu beherrschenden Entscheidungsalternativen für die situationsangemessene Fortsetzung des Kampfes im Ergebnis des Übergangs Stand/Boden deutlich reduziert werden.
Allgemeingültige Verhaltensweisen beim Übergang Stand/Boden Im Verlauf dieses Kampfabschnittes gibt es auf Grund der Technikvielfalt mehrere Möglichkeiten einer vorteilhaften Situationsnutzung. Für Ton und Uke
treffen in der Ober- und Unterlage bestimmte Verhaltensweisen zu, durch deren Beachtung der Erfolg bei der Situationsverwertung maßgeblich mitbestimmt wird. Für die Position Oberlage gilt:
Für die Position Unterlage gilt
Sicher ist es kaum möglich, alle der aufgeführten Verhaltensweisen gleichrangig und parallel zu berücksichtigen. Sinnvoll ist daher im Kampfeine Konzentration auf ein bis zwei Punkte die den individuellen Stärken und Neigungen
entsprechen. Für das Training erhalten diese allgemeingültigen Verhaltensweisen den Charakter von Anweisungen an den Sportler. Damit werden sie zu Tätigkeitsaufforderungen, die eine charakteristische Art und Weise sowie eine
bestimmte Qualität der Handlungen des Kämpfers verlangen. Literatur: Friedrich, Frank-Michael u.a. Lehmann, Gerhard/Müller-Deck, Hans Okano. lsao Radfon,Ralf
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