Judo mit Erwachsenen und Älteren Diesen Text und weitere Beiträge zum Thema “Judo mit Älteren” finden Sie in der Broschüre zum Workshop. Bestellen Sie bitte direkt beim DJB hschladt@judobund.de.
Tätigkeitsfeld im Judo-Breitensport: Judo mit Älteren Zwei Tendenzen sind es, die Thema "Judo mit Älteren" im DJB diskussions- und konzeptionswürdig machen. Dies ist zum einen das gesellschaftliche Problem der "Umkehrung" der Bevölkerungspyramide, zum anderen die interne Mitgliederentwicklung im DJB. 1.1 Zur Bevölkerungsentwicklung Ein Blick auf die nachfolgende Statistik zeigt, daß bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Älteren Menschen über 55 Jahre erheblich steigen wird. Es ist anzunehmen, daß die agilen "Alten" auch verstärkt nach sportlicher Betätigung suchen und in den kommenden Jahren in diejenigen Sportvereine drängen, die mit ansprechenden, attraktiven, motivierenden Angeboten zum altersgerechten Sporttreiben (gleichgültig für welche Sportart) werben. Schon jetzt steigt außerdem die freie Zeit des einzelnen (1975: 2.011, 1991: 2.725, 2000: voraussichtlich 2887 Stunden Freizeit). Pro Stunde Freizeit werden im Jahr 2000 2,25 DM statt heute 1,60 DM pro Stunde Freizeit ausgegeben werden (Quelle: Institut f. Freizeitwirtschaft). Sport wird in Zukunft von immer mehr Älteren betrieben werden; nur die Verbände und Vereine, die ihre Angebote rechtzeitig an der "neuen" Zielgruppe orientieren, werden zukünftig ihre Mitgliederzahlen halten bzw. neue Potentiale erschließen können.
1.2 Zur internen Mitgliederentwicklung im DJB In der Mitgliederentwicklung des DJB ist eine erschreckende Tendenz feststellbar:
Judo entwickelt sich zu einer Sportart für Kinder unter 14 Jahre. Mitgliederzuwächse wurden seit etwa 10 Jahren vornehmlich in der Altersgruppe bis 10 Jahre erzielt.
Schon heute weist das Verhältnis von Erwachsenen über 35 Jahre (“bestes Funktionärsalter” = 11.500 Mitglieder = 5%) und Jugendlichen ein Verhältnis von 1
zu 8 auf. Da sich nicht jeder Erwachsene als Betreuer, Kampfrichter, Übungsleiter oder Funktionär zur Verfügung stellt, ist davon auszugehen, daß auf einen betreuenden Erwachsenen ca. 20 bis 30 zu betreuende Kinder und Jugendliche
kommen. Wer sich als Erwachsener zum ehrenamtlichen Engagement entschließt, ist damit schon von vornherein "überfordert". Besonders dramatisch ist der
deutliche Mitgliederrückgang in der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre, der nicht allein durch berufliche Neuorientierung und die Bundeswehr oder den Zivildienst erklärt werden kann.
Beide Tendenzen fordern Konzepte und zielstrebiges Handeln des Spitzenverbandes, der Landesfachverbände und der Vereine, um die beschriebenen Probleme nicht zu verschärfen. Ein Konzept zum Erwachsenensport kann sich nicht ausschließlich mit Alterssportlern ab 50 Jahre auseinandersetzen. Mit ca. 3.100 Mitglieder im Alter über 50 Jahre (1994), die man als Alterssportler im DJB bezeichnen könnte, macht diese Gruppe nur einen geringen Prozentsatz von 1,5% an der Gesamtmitgliederzahl aus. Bewußt nennen wir deshalb das Tätigkeitsfeld im Judo-Breitensport nicht "Judo mit Senioren" sondern "Judo mit Älteren". Eine sinnvolle Konzeption für den Judosport im Deutschland muß sich mit den vielfältigen Aspekten des Erwachsenensports, den Zielgruppen Nachwettkämpfern, Wieder- und Neueinsteigern beschäftigen. Nur eine solche Konzeption trägt der aktuellen Mitgliederstruktur des DJB Rechnung. Die Judovereine und -verbände müssen Strategien entwickeln, wie Mitgliederzuwächse im Erwachsenenbereich erzielt werden können. Deshalb sind wir dazu angehalten, auch das gesamte frühe Erwachsenenalter intensiv zu beleuchten, weil zu vermuten ist, daß durch intensive Kontaktpflege, attraktive Perspektiven im Verein und altersgemäße Judoangebote Erwachsene über einen wesentlich längeren Zeitraum im Judo-Verein gehalten werden können als bisher. Dazu ist es notwendig, alle Zielgruppen zu analysieren, in Hinblick auf ihre Motive zu untersuchen und entsprechende Praxiskonzepte zu erarbeiten und zu realisieren. Erwachsenensport - ein Überblick
Wir haben es im Erwachsenensport mit einer Zeitspanne von ca. 50 Jahren des Sporttreibens zu tun. Diese Zeitspanne ist geprägt von den unterschiedlichsten Motivationen, Interessen, sozialen Umschwüngen und sportmotorischen
Möglichkeiten. Das Erwachsenenalter läßt sich von der sportlichen Entwicklung her betrachtet in drei große Phasen einteilen: Das frühe Erwachsenenalter (18/20 - 30/35) ist geprägt durch die Ausprägung und
Festigungsportlicher Bewegungsmerkmale und der konditioneller Fähigkeiten. Zu beobachten ist aber, daß es zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts schon zu bedeutenden Leistungseinbußen bei Nichttrainierenden kommen kann.
So ist das mittlere Erwachsenenalter (30/35 -45/50) geprägt durch den allmählichen Leistungsrückgang. Diesen altersbedingten und schrittweisen Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit nennen wir Involution.
Das späte Erwachsenenalter (ab 45/50) ist durch einen deutliche Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit geprägt. Sportliche Leistung ist ein sehr komplexes Gebilde. Durch kontinuierliches Training
lassen sich insbesondere die konditionellen Fähigkeiten und hier besonders die Ausdauer und die Kraft ziemlich lange auf einem relativ hohen Niveau halten. Von dem Prozeß der Involution sind in besonderem Maße die Schnelligkeit und
Schnellkraftfähigkeit, sowie die Beweglichkeit betroffen. Koordination und Bewegungslernen sind weitere Fähigkeiten, die sich im Alterungsprozeß ohne Training nach und nach negativ verändern. Als oberster Trainingsgrundsatz gilt im
Erwachsenensport: Nur regelmäßige Übung und Beanspruchung erhalten die körperliche Leistungsfähigkeit. Gar keine oder zu geringe sportliche Betätigung führt zwangsläufig zu Leistungsminderung und früherem Altern.
Im mittleren Erwachsenenalter kommen, bedingt durch den Prozeß der Involution, zusätzliche psychische Schwierigkeiten hinzu. Beim Wiedereinsteiger ist zum einen
eine falsche Bewegungsvorstellung, d.h. der Wiedereinsteiger meint noch zu wissen "wie es geht", aber die tatsächliche sportliche Bewegungsausführung stimmt nicht
mehr mit dem ehemals Gekonnten überein. Beim Neueinsteiger ist es vielfach ein mangelndes Selbstvertrauen in die sportliche Leistungsfähigkeit aufgrund mangelnder sportlicher Erfahrung. Hinzu kommt vielfach nach geraumer Übungszeit
ein Sich-begnügen mit dem Erreichten, gleichgültig ob neu Erlerntem oder schon Gekonntem, was es dem Übungsleiter nicht gerade erleichtert, Neues zu vermitteln und zum Ausprobieren anzuregen. 2.1 Das Frühe Erwachsenenalter Bei regelmäßig trainierenden Wettkampfsportlern ist deutlich die Ausprägung
individueller Bewegungsmerkmale zu erkennen. Es verfestigen sich die Erfolg versprechenden Techniken, die dem eigenen Körperbau und der Konstitution angemessen sind (wettkampfstabile Techniken). Der Sportler entwickelt seinen
individuellen Handlungskomplex, d.h. für ihn sinnvolle vorbereitende und nachbereitende Techniken um eine Haupttechnik herum. Zugleich ist beim Wettkampfsportler aufgrund der Randori- und Wettkampferfahrung ein Mäßigungs-
und Ökonomisierungsprozeß zu erkennen. Zusehends gelingt es besser, taktische Handlungen konsequent durchzuführen und Wettkampfstrategien durchzuhalten.
Der Unterschied zwischen trainierenden und nicht trainierenden Menschen ist sehr krass. Während beim Nichttrainierenden zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts
ein deutlicher Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere in den Bereichen Schnelligkeit, Koordinationsfähigkeit, Bewegungslernen, Beweglichkeit
festzustellen ist, kann dieses Alter für den regelmäßig Trainierenden das “höchste” Leistungsalter sein. Insbesondere in den Kampfsportarten, in denen Technik,
koordinative Fähigkeiten, taktische Erfahrung und Kraft eine entscheidende Rolle spielen wie im Judosport, können bis in vierte Lebensjahrzehnt hinein noch höchste Leistungen auf Gruppen- oder Bundesebene erzielt werden.
2.1.1 Fazit für das Training mit aktiven Wettkampfsportlern
2.1.2 Fazit für das Training mit Breitensportlern
2.1.3 Die Aufgabe des Übungsleiters im Erwachsenensport
2.2 Das mittlere Erwachsenenalter Der Prozeß der Involution wird für den Sporttreibenden deutlich körperlich
bemerkbar. Besonders in den bereits genannten konditionellen und koordinativen Fähigkeiten ist eine stetige Rückentwicklung der sportlichen Leistungsfähigkeit
nicht zu übersehen. Natürlich gilt auch hier, daß regelmäßiges Training den Prozeß verlangsamt, kein Training oder wenig sportliche Betätigung den Prozeß jedoch erheblich beschleunigt. 2.2.1 Fazit für das Training
2.2.2 Einbindung erfahrener Sportler Der Sportler, der regelmäßig trainiert hat, bringt ein hohes Maß an Erfahrung und Wissen mit. Natürlich ist es zu spät, erst jetzt den Sportler zur Übernahme von
Nachwuchsgruppen, als Betreuer, Trainer oder Kampfrichter zu gewinnen. Eine Maxime des Erwachsenensports muß deshalb lauten, den Sportler schon frühzeitig, d.h. auch noch während der aktiven Wettkampfphase und im frühen
Erwachsenenalter, mit kleinen, überschaubaren und eigenverantwortlich zu lösenden Aufgaben zu betrauen, ihn langsam an die pädagogische Aufgabe heran zu führen, oder für organisatorische Aufgaben zu schulen und zu interessieren.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß diejenigen länger beim Judo geblieben sind, die rechtzeitig mit pädagogischen Aufgaben konfrontiert wurden. Auch ohne Lizenzierung sollten sich Vereine nicht scheuen, Sportlerinnen und Sportler mit
entsprechenden technischen Fähigkeiten und pädagogischen Interesse aktiv in die Vereinsarbeit einzubeziehen. Wichtig ist dabei vor allem zunächst die Überschaubarkeit der übertragenen Aufgabe. Anleiten und Organisieren will
langsam erlernt sein. Vereine verlangen aufgrund des rückläufigen Engagements im Ehrenamt von “Neulingen” oft zu viel. Zu schnell ist das Zeitbudget des “Neuen”
überzogen, ist er mit der gestellten Aufgabe überfordert. Entmutigung und die Frage “Wozu das alles?” sind die Folge, und folglich schrumpft das Interesse sich neuerdings im Verein einzubringen. 2.3 Das späte Erwachsenenalter Die Rückbildung der sportliche Leistungsfähigkeit ab dem fünften Lebensjahrzehnt
verläuft sehr individuell. Auch schon kleine, aber täglich ausgeführte sportliche Leistungen verlangsamen den Prozeß der Involution erheblich. Sporttreiben ab 50
ist heute eine Normalität. Inzwischen hat sich das Bild des aktiven Alterssportlers gegenüber dem des jugendlichen Leistungssportlers etabliert. Als Grundsatz für das Sporttreiben ab 50 gilt:
Man ist nie zu alt zum altersgemäßen Sporttreiben. Im Judo-Unterricht müssen die individuellen Faktoren (technische Fertigkeiten und konditionell/koordinative Fähigkeiten des einzelnen Judoka) verstärkt Berücksichtigung finden.
2.3.1 Fazit für das Training Altersgemäßes Sporttreiben ab 50 bedeutet vor allem, die Ausdauer zu stärken und die Beweglichkeit zu erhalten. Regelmäßiges Jogging oder auch ausgedehnte
Wanderungen, im Judo insbesondere die Bodenarbeit zur Beweglicherhaltung und Übungsformen im Stand, bei denen nicht das Werfen im Vordergrund steht (Judo-Sportabzeichen!), sind altersgemäße Betätigungsformen. Die
Selbstverteidigung oder das Katatraining sind Übungsformen, bei denen sich Partnerwiderstand und Eigenaktivität gut selbstständig dosieren lassen. Eine individuell dosierte Funktionsgymnastik sollte insbesondere den Stütz- und
Bewegungsapparat kräftigen und flexibel erhalten. Mit fortschreitendem Alter lernt der Sportler neue Bewegungen langsamer und im allgemeinen weniger präzise. Es
sind deshalb im Technikerwerbtraining sinnvolle methodische Reihen zu wählen, Partner- und Orientierungshilfen einzuplanen. Zielgruppen-Analyse
Mit Blick auf die Vereinspraxis unterscheide ich drei Zielgruppen im Erwachsenensport:
Alle drei Gruppen bringen unterschiedliche Interessen und Vorerfahrungen in den Judounterricht mit. Trainieren alle drei Typen von Erwachsenensportlern zusammen in einer
Breitensportgruppe, so kann es zu erheblichen Differenzen zwischen Erwartung an den Judo-Unterricht und Unterrichtswirklichkeit kommen. Der Übungsleiter muß Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht ergreifen, um die
verschiedenen Interessen in den Trainingseinheiten aufzugreifen und unregelmäßigem Trainingsbesuch oder gar Vereinsaustritten vorzubeugen. Bindung an die Gruppe und Regelmäßigkeit entstehen durch motivierende
Trainingsangebote. z.B. können dieselben Techniken sowohl selbstverteidigungs- als auch wettkampfbezogen unterrichtet werden, zuvor für die Gürtelprüfung erarbeitete Techniken können in Kata-Form für eine Vereinsdemonstration
einstudiert werden usw. Obwohl sich die drei Zielgruppen nicht dem Alter nach einteilen lassen, weil z.B. ein Nachwettkämpfer erst mit 35 aus dem aktiven Wettkampfsport ausscheidet, ein Wiedereinsteiger aber bereits mit 26 nach 5
Jahren Pause erneut mit dem Judo beginnt, verdeutlicht nachstehende Abbildung eine grobe Zuordnung: Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer findet sich im frühen Erwachsenenalter, die
Zielgruppe der Wiedereinsteiger sowohl im frühen als auch im mittleren Erwachsenenalter und die Zielgruppe der Neueinsteiger ebenfalls vorwiegend im frühen Erwachsenenalter. Neu- und Wiedereinsteiger im späten Erwachsenenalter
gibt es kaum. Ziel konzeptioneller Überlegungen muß es sein, die "weißen Flecken" zu überprüfen: Besteht seitens des DJB und seitens der potentiellen Judosportler
Bedarf, diese Gruppen durch ansprechende Judoangebote zu aktivieren und kann Judo überhaupt für diese Zielgruppen eine attraktive Sportart sein? 3.1 Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer ist durch bessere körperliche und
judotechnische Voraussetzungen ausgezeichnet als sie andere Breitensportler mitbringen. Die Leistungsfähigkeit ist jedoch nicht mehr so wie früher. Besonders
ab Mitte dreißig ist auf nationalem Niveau das Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit (auch bedingt durch Sportschäden) und der Kampfkraft nicht mehr zu übersehen, wird jedoch von Kämpfer selbst ungern innerlich akzeptiert.
Deshalb fällt vielen der Ausstieg so schwer. Im Gegensatz zum Schwimmen und der Leichtathletik gibt es im DJB noch keine Meisterschaften nach Alterskategorien unterteilt. Denkbar wären Turniere für
Sportler/inne über 35 bzw. über 45 mit entsprechend angepaßten Gewichtsklassen. Um solche Wettkampfformen zu etablieren, sollten die Landesverbände anstreben, insbesondere auf Vereins-, Kreis- oder Bezirksebene solche Turniere mit
ansprechendem geselligen Rahmen zu realisieren. Durch den Wechsel ins "Altenlager" ändert sich für den Judoka im sozialen Umfeld einiges: Er kann keine
direkt vorweisbaren sportlichen Erfolge mehr aufweisen und steht folglich nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit (gleichgültig ob auf Kreis- oder Bundesebene) und
erhält keine direkte Belohnung mehr für das Training (Medaillen, Urkunden ...). Als Reaktion "schmeißt" der Judoka dann alles hin und "wurde nicht mehr gesehen".
Der Übergang von der Wettkampf- in die Nachwettkampfphase sollte in Zusammenarbeit von Verein, Trainer und Wettkämpfer langfristig geplant werden,
um einen "Rentenschock" zu vermeiden. Keinesfalls darf es zu einem Übergang von der Aktivität in die Passivität kommen. Schon während der Wettkampfzeit sollten
dem Judoka Perspektiven für die Nachwettkampfzeit aufgezeigt werden und Weiterbildung in Bezug auf Kampfrichterwesen, Trainer-, Jugendleitertätigkeit usw.
erfolgen. Trotz der Trainings- und Wettkampftermine sollten Trainer und Vereine dem Sportler die Zeit geben, sich solches Nachwettkampf-Wissen anzueignen. Gehen nämlich diese Sportler dem Judoverein verloren, so verläßt mit ihm ein
ungemein wertvolles Erfahrungswissen den Verein. Der ehemalige Wettkampfsportler ist ein Training unter anderen Zielsetzungen gewohnt. Ziele wie Fitnesserhalt, Prüfungen, Kata-Demonstration oder
Selbstverteidigung sind für ihn neu und müssen ihm erst nahegebracht werden. Übungsleiter im Breitensport tun gut daran, ihre Ziele ebenso klar zu definieren, wie
dies im Wettkampfbereich oftmals der Fall ist, d.h. Unterricht zu planen und auszuwerten. Fitnessteile sollten so individuell dosierbar sein, daß jeder sich selbst nach eigenem Ermessen fordern kann.
In gemischten Breitensportgruppen besteht die Gefahr, daß der Nachwettkämpfer aufgrund seines Judowissens und seiner Randori-Routine andere Mitglieder
entmutigt und sich diese an den Rand gedrängt fühlen. Ziel sollte es deshalb sein, den Nachwettkämpfer aktiv und gruppenfördernd in die Arbeit auf der Matte einzubinden. Er soll seine Erfahrungen einbringen können (z.B. durch
Kurzlehreinheiten, Beobachtungs- und Korrekturaufgaben ...), und zugleich das Gefühl bekommen, gebraucht zu werden. Wichtig ist dabei der Grundsatz, solche
Einbindung und Übertragung von Aufgaben schrittweise und langsam vorzunehmen (keine Überforderung! s.u.). 3.2 Die Zielgruppe der Wiedereinsteiger Bedingt durch Familie, Berufsausbildung und Existenzaufbau, Wohnungswechsel, Bundeswehr usw., aber auch durch Verletzungen steigen viele Judoka im Alter ab
18 Jahre aus dem Judo aus. Einige kehren dem Judosport ganz den Rücken, andere aber suchen den Kontakt zu einer Judogruppe bewußt nach einiger Zeit wieder. Die endgültige Abwendung Erwachsener vom Judosport hat einen nicht zu
vernachlässigenden vereinsorganisatorischen Kern: Viele ehemaligen Mitglieder im Verein würden, danach befragt, gerne einmal wieder beim Training vorbeischauen
und natürlich auch mitmachen. Oftmals fehlen nach geraumer Zeit aber die Kontakte zum Verein oder Trainer, die Trainingszeiten ändern sich, der Sportler nimmt es
sich vor zu kommen und steht vor "verschlossenen" Türen oder aber er ist da, kennt aber aufgrund der Fluktuation innerhalb der Trainingsgruppe keinen mehr - Die Schwelle zum Wiedereinstieg wächst in allen diesen Fällen.
Ein gut organisierter Verein könnte hier im Vorwege Weichen für den Wiedereinstieg stellen: Eine ordentlich geführte Mitgliederdatei, immer auf dem neuesten Anschriftenstand, gibt Auskunft über Geburtstage der “Ex-Mitglieder”,
besondere Familienfeiertage (Hochzeitstag ...) und außersportliche Fähigkeiten (Beruf, Hobbys ...). Der Geburtagsgruß wird genauso selbstverständlich an das
Mitglied gesandt wie die Einladung zur Weihnachtsfeier der Wettkampfmannschaft, zur Vereinsmeisterschaft, Mitgliederrundschreiben, Trainingszeitenänderungen oder einem Großturnier vor heimischem Publikum. Besonders über das Telefon
können Vereine Kontakte aufrechterhalten. Als Grundsätze der Kontaktbrücke Verein – ehemals Aktiver gelten:
Wiedereinsteiger stellen in der unterrichtlichen Betreuung die höchsten Anforderungen an den Übungsleiter: Die ehemaligen Aktiven meinen zu wissen, was in der Übungsstunde auf sie zukommt, und sie meinen zu wissen, was sie
können. Der zeitliche Abstand von der aktuellen Trainingssituation wirkt jedoch wirklichkeitsverzerrend. Deshalb kommt es meist nach den ersten Trainingsabenden zum “Frust”: Früher war das Training viel besser ...
Der Übungsleiter steht bei der Gruppe der Wiedereinsteiger deshalb ständig vor der Notwendigkeit, diese zu bremsen, damit keine Überforderungen auftreten. Zum
anderen muß er aber die Übungsformen so aktiv gestalten, daß beim Judoka das Gefühl entsteht, wieder “richtiges” Judo zu machen. Zugleich soll in möglichst kurzer
Zeit ein möglichst genaues neues Bewegungsgefühl aufgebaut werden. Alle Möglichkeiten der Schmerzvermeidung wie viel Bodenarbeit, Fallen auf Weichbodenmatten, Uchi-komi aus verschiedenen Bewegungsrichtungen statt
Werfen usw. sollten ausgenutzt werden. Viele der Wiedereinsteiger sind als Danträger höher graduiert als die Teilnehmer der Gruppen, in denen sie mittrainieren wollen. Somit ist der Wiedereinsteiger
sofort aus seiner Anonymität gerissen: Die Noch-Wettkämpfer der Gruppe wollen sich an ihm messen, und die Nicht-Wettkämpfer akzeptieren zumeist nicht das
einfache Nur-Mitüben-Wollen des Wiedereinsteigers. Übungsleiter solcher Gruppen sollten den Wiedereinsteiger nicht in eine verpflichtende Rolle zu drängen. Randoris
lassen sich als Yakusoku-geiko gestalten, der Partner des Wiedereinsteigers kann entsprechende Aufgabenstellungen erhalten, die ein unverkrampftes Randori
ermöglichen. Erst wenn der Wiedereinsteiger einige Male das Training besucht hat, sollte man ihn fragen, ob er einmal eine Kurzlehreinheit von 15 Minuten in einer
Unterrichtsstunde übernehmen möchte, - natürlich mit der entsprechenden Vorbereitungszeit zur nächsten Woche und nie ad hoc!. Am günstigsten ist es, wenn viele Ehemalige auf einmal wieder einsteigen. Die
Probleme der Überforderung, der sinnvollen Übungsauswahl und der Einbindung in eine Übungsgruppe lassen sich wesentlich besser in den Griff bekommen. Bewährt
hat sich in der Vereinspraxis die Einrichtung eines “Veteranen-Treffs”, d.h. das alle Ehemaligen regelmäßig ein- oder mehrmals im Jahr vom Verein zu einem Ehemaligentreffen mit vorausgehendem Training eingeladen werden. 3.3 Die Zielgruppe der Neueinsteiger Ist die Sportart Judo eine Sportart für Erwachsene, die sich neu in der
Sportlandschaft orientieren? Die Frage läßt sich eindeutig beantworten: Derzeitig nicht! In allen medienwirksamen Publikationen und TV-Sendungen (Zeitschriften, DSF ...)
spielen die Kampfsportarten eine untergeordnete Rolle. Schuld hat nicht zuletzt eine Sportart wie Judo selbst an ihrer Darstellung und Betonung des Wettkampfsports.
Der Gesundheits- und Fitnesswert der Sportart Judo wird kaum erwähnt, hierbei macht Tai-qiquan das Rennen, und auf dem "Markt" für Selbstverteidigung für
Erwachsene tummeln sich kommerzielle Anbieter, aber nicht die Judovereine. Zu beobachten ist, daß es im frühen Erwachsenenalter überwiegend Frauen sind,
die den Weg zum Judo finden und eine zeitlang aktiv bleiben. Ihr Interesse ist vornehmlich die Selbstverteidigung. Für die Neuwerbung von Mitgliedern ist deshalb ein überzeugendes Konzept für die Judo-Selbstverteidiung insbesondere
für die Zielgruppe der Frauen zu erarbeiten. Bewährt hat sich die Kursform mit 8 bis 10 Übungsstunden, ein überschaubarer Zeitraum also, ohne Beitrittsverpflichtung
zum Verein. Die Sportvereine stehen bei solchen Selbstverteidigungs-Angeboten in starker Konkurrenz zu Volkshochschulen und kommerziellen Anbietern und sollten
sich deshalb an deren Werbestrategien und Angeboten orientieren. Dabei sollten die Vereine zwar keine falschen Versprechungen machen (“In acht Wochen
selbstbewußt und sicher!”), aber auch nicht den Wert des Judosports für Körper und Psyche kleinreden. Um Kursteilnehmer/innen zu werben, ist es sinnvoll, wenn die
Kurszeit in die Nähe der später in frage kommenden Übungsgruppenzeit gelegt wird, so daß ein Ausblick in das normale Training möglich wird. Judo ist derzeitig keine Einsteigersportart für Ältere ab 35/40.
Ein Konzept für Neueinsteiger/innen in diesem Alter sollte sich am Gesundheit- und Fitnesswert der Sportart Judo und am Nutzen für die Selbstverteidigung orientieren.
Als Zielgruppe sind insbesondere Eltern von Kindern, die Judo betreiben, und Ehepartner von aktiven Breitensportlern, zu nennen. Die Hemmschwelle ist jedoch enorm groß und Berührungsängste mit der Sportart müssen behutsam abgebaut
werden. Im Rahmen eines “Tags der offenen Tür” lassen sich z.B. durch die Trimmspiele in lustiger und spielerischer Form vielleicht auch die Eltern motivieren,
auf die Matte zu kommen, wenn die Kinder als Helfer eingesetzt sind. Teile des “normalen” Erwachsenen-Judo-Trainings können so gestaltet werden, daß die
Neueinsteiger/innen die Gymnastik, Koordinationsschulung und die Kleinen Spiele mitmachen können, den judospezifischen Teil aber zunächst auslassen, wenn sie wollen. Nach und nach kann eine behutsame Vermischung mit judotechnischen
Inhalten erfolgen und vielfach kommt der Spaß am Judo dann ohne weiteres Zutun. Die Angst vor der Verletzungsgefahr beim Fallen und vor dem ungewohnt engen Körperkontakt zu fremden Menschen müssen vom Übungsleiter sehr ernst
genommen werden. Entsprechende methodische Maßnahmen, die ein behutsames und spielerisch-ablenkendes Heranführen an die Judotechniken zum Ziel haben, müssen ergriffen werden.
Judospezifische Möglichkeiten und Übungsformen des altersgemäßen Sporttreibens im Erwachsenensport
Ein spezielles Judo für Ältere gibt es nicht! Übungsstunden im Erwachsenensport sollte aber die Motive zum Judotreiben aufgreifen und der körperlichen Entwicklung
Rechnung tragen. Neben anderen treten zwei Motive im Judo mit Erwachsenen besonders hervor: Zum einen ist dies der Wunsch, Judo selbstverteidigungsbezogen zu erarbeiten, zum anderen sich durch Judotraining fit zu halten.
Beide Motive bedürfen unterrichtlicher Konzepte. Der Bereich Judo-Selbstverteidigung ist durch die Kyu-Ausbildungs- und Prüfungsordnung von 1994 hinreichend aufgearbeitet. Zusätzliche Unterrichtsmaterialien werden nach
und nach erstellt werden. Für den Bereich Fitnesstraining durch Judo wurde das Judo-Sportabzeichen konzipiert, das besonders die Ausdauerfähigkeit und die individuelle Selbsteinschätzung sportlicher Leistungsfähigkeit betont.
Welchen methodischen Überlegungen müssen Stundengestaltung und ausgewählte Übungsformen im Erwachsenensport standhalten?
Folgende praktische Unterrichtshilfen wurden seitens des DJB für das Judotraining mit Erwachsenen bereits erarbeitet und vorgestellt bzw. werden z.Zt. erarbeitet: Judo als Selbstverteidigung (Unterrichtsmaterialien werden z.Zt. erstellt) Als Nachbereitung des Workshops im April 1997 in Hamburg wird es noch im Herbst 1997 eine Broschüre mit theoretischen Beiträgen und konkreten Praxistips geben. Darüber hinaus wird gerade ein Video zum Wahlprogramm der Ausbildungs- und Prüfungsordnung erstellt, das ebenfalls im Herbst fertiggestellt sein wird. Judo-Sportabzeichen Das Programm, erarbeitet von Klaus Keßler und Studenten der DSH Köln, sowie ausführliche Vorbereitungsmaterialien (Michael Weyres in Judo-Magazin xx/1997) und ein offizielles Lehrvideo des DJB liegen vor. In einer wissenschaftlichen Untersuchung, die in Leipzig durchgeführt wurde, wurde das hervorragende, an der individuellen Fitness ausgerichtete Programm und der Wert insbesondere für das Herz-Kreislaufsystem hervorgehoben. Traditionelle Kata und Freie Kata Die Expertenkommission des DJB zu den traditionellen Kata hat inzwischen erste
sehr gute Ergebnisse bei der Vereinheitlichung der Kata erzielen können. Man einigte sich bei Gonosen-no-kata, Ju-no-kata, Kime-no-kata und Goshin-jitsu-no-kata relativ zügig. Zur Gonosen-no-kata wird es ebenfalls im Herbst
1997 ein offzielles Lehrvideo geben. Die Kime-no-kata und Goshin-jitsu-no-kata werden zusammen mit dem SV-Wahlprogramm zur Dan-Prüfung auf einem eigenen Video Anfang 1998 erhältlich sein.
Die Bereiche Deutsche Kata-Meisterschaft und Jugend-Kata-Pokal müssen in der nächsten Zeit einer grundlegenden Revision unterzogen werden. Insbesondere muß
die Kata-Meisterschaft für andere Kata als Nage-no-kata geöffnet werden; für den Jugendbereich muß eine attraktive, jugendgerechte Darstellung gefunden werden,
die Jugendliche motiviert, sich aktiv mit dem Thema Kata auseinanderzusetzen. Möglichkeiten werden gerade in Hessen erprobt (S.Kubach wird berichten). Durch das Judo-Sportabzeichen, durch mehrere neuere Veröffentlichungen im
Judo-Magazin (u.a. 01/95), sowie durch die Artikel von W.Hofmann in den 70er Jahren ist das Thema Freie Kata wieder in die Diskussion aufgenommen worden.
Mit engagierten Übungsleitern läßt sich mittels Freier Katas schon im Training mit Jugendlichen eine Systematisierung von Judowissen erreichen, die weit über das rein Darstellerische und den Show-Effekt hinausgeht. Unterrichtseinheit: Judo-Angebote im Erwachsenensport sinnvoll differenzieren Im Rahmen der Judo-Lehrer-Ausbildung, der breitensport-orientierten Weiterbildung im DJB, wird insbesondere auf diese Problematik hingewiesen und mit den Teilnehmer/innen entsprechend vielseitige und motivierende Angebote erarbeitet. Bewegungsformen ohne hartes Fallen Zuletzt bei der Internationalen Judo-Sommerschule des DJB in Lindow 1997 stellt Ulrich Klocke seine Unterrichtseinheit zum Thema “Werfen ohne hart zu fallen” vor. Entspannungstechniken im Judotraining Neben der vielseitigen Fachliteratur, gab es auch im Judo-Magazin (6-8/95) eine Serie zu diesem Bereich. Als Möglichkeit des “Abschlaltens vom Alltag” und Trainingsausklang benötigt der Übungsleiter im Breitensport mit Erwachsenen ein großes Repertoire an entsprechenden Übungen. Schulung der aeroben Ausdauer durch judospezifische Übungen/Elemente; schulung der Fitness Fitness-Training ist ein Schwerpunkt der Judo-Lehrer-Ausbildung. Die Konzeption für die zweite Lizenzstufe (entsprechend der Trainer-A-Ausbildung) ist in Vorbereitung; das Skript dazu wird allen Vereinen zugänglich sein. Alternative Wettkampfformen im Breitensport Planung, Organisation, Durchführung Es gibt im Judo keine Altersklassen-Wettkämpfe. Sinnvolle alternative Wettkampfformen für Ältere, aber auch Breitensport-Wettkampfformen für mehrere Altersgruppen zusammen zu entwickeln und zu erproben muß eine Aufgabe von DJB und Landesverbänden sein. Judofremde Bewegungsangebote Es wurde im Judo-Magazin bereits das Qigong vorgestellt. Auch weitere chinesische Bewegungsformen sind in den Judo-Unterricht integrierbar. Zu beachten ist aber: Wer sich für den Judosport seit mehreren Jahren interessiert, möchte Judo machen und auch “raufen”. Literaturhinweise, Medien
Deutscher Sportbund, Red. M.Spangenberg Deutscher Sportbund, Red. H.-O.Roth Deutscher Sportbund, Red. R.Tobien Hofmann, Wolfgang Hofmann, Wolfgang Klaus Keßler Klocke, Ulrich Pöhler, Ralf Pöhler, Ralf
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