Judo mit Älteren

Judo mit Erwachsenen und Älteren
Vortrag Ralf Pöhler, Vizepräsident des DJB,
 im Rahmen des DJB-Workshops 1998 in Holzkirchen

Diesen Text und weitere Beiträge zum Thema “Judo mit Älteren” finden Sie in der Broschüre zum Workshop. Bestellen Sie bitte direkt beim DJB hschladt@judobund.de.

 

Tätigkeitsfeld im Judo-Breitensport: Judo mit Älteren

Zwei Tendenzen sind es, die Thema "Judo mit Älteren" im DJB diskussions- und konzeptionswürdig machen. Dies ist zum einen das gesellschaftliche Problem der "Umkehrung" der Bevölkerungspyramide, zum anderen die interne Mitgliederentwicklung im DJB.

1.1 Zur Bevölkerungsentwicklung

Ein Blick auf die nachfolgende Statistik zeigt, daß bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Älteren Menschen über 55 Jahre erheblich steigen wird. Es ist anzunehmen, daß die agilen "Alten" auch verstärkt nach sportlicher Betätigung suchen und in den kommenden Jahren in diejenigen Sportvereine drängen, die mit ansprechenden, attraktiven, motivierenden Angeboten zum altersgerechten Sporttreiben (gleichgültig für welche Sportart) werben. Schon jetzt steigt außerdem die freie Zeit des einzelnen (1975: 2.011, 1991: 2.725, 2000: voraussichtlich 2887 Stunden Freizeit). Pro Stunde Freizeit werden im Jahr 2000 2,25 DM statt heute 1,60 DM pro Stunde Freizeit ausgegeben werden (Quelle: Institut f. Freizeitwirtschaft). Sport wird in Zukunft von immer mehr Älteren betrieben werden; nur die Verbände und Vereine, die ihre Angebote rechtzeitig an der "neuen" Zielgruppe orientieren, werden zukünftig ihre Mitgliederzahlen halten bzw. neue Potentiale erschließen können.

   

1.2 Zur internen Mitgliederentwicklung im DJB

In der Mitgliederentwicklung des DJB ist eine erschreckende Tendenz feststellbar: Judo entwickelt sich zu einer Sportart für Kinder unter 14 Jahre. Mitgliederzuwächse wurden seit etwa 10 Jahren vornehmlich in der Altersgruppe bis 10 Jahre erzielt. Schon heute weist das Verhältnis von Erwachsenen über 35 Jahre (“bestes Funktionärsalter” = 11.500 Mitglieder = 5%) und Jugendlichen ein Verhältnis von 1 zu 8 auf. Da sich nicht jeder Erwachsene als Betreuer, Kampfrichter, Übungsleiter oder Funktionär zur Verfügung stellt, ist davon auszugehen, daß auf einen betreuenden Erwachsenen ca. 20 bis 30 zu betreuende Kinder und Jugendliche kommen. Wer sich als Erwachsener zum ehrenamtlichen Engagement entschließt, ist damit schon von vornherein "überfordert". Besonders dramatisch ist der deutliche Mitgliederrückgang in der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre, der nicht allein durch berufliche Neuorientierung und die Bundeswehr oder den Zivildienst erklärt werden kann.
   

   

   

Beide Tendenzen fordern Konzepte und zielstrebiges Handeln des Spitzenverbandes, der Landesfachverbände und der Vereine, um die beschriebenen Probleme nicht zu verschärfen. Ein Konzept zum Erwachsenensport kann sich nicht ausschließlich mit Alterssportlern ab 50 Jahre auseinandersetzen. Mit ca. 3.100 Mitglieder im Alter über 50 Jahre (1994), die man als Alterssportler im DJB bezeichnen könnte, macht diese Gruppe nur einen geringen Prozentsatz von 1,5% an der Gesamtmitgliederzahl aus. Bewußt nennen wir deshalb das Tätigkeitsfeld im Judo-Breitensport nicht "Judo mit Senioren" sondern "Judo mit Älteren". Eine sinnvolle Konzeption für den Judosport im Deutschland muß sich mit den vielfältigen Aspekten des Erwachsenensports, den Zielgruppen Nachwettkämpfern, Wieder- und Neueinsteigern beschäftigen. Nur eine solche Konzeption trägt der aktuellen Mitgliederstruktur des DJB Rechnung. Die Judovereine und -verbände müssen Strategien entwickeln, wie Mitgliederzuwächse im Erwachsenenbereich erzielt werden können. Deshalb sind wir dazu angehalten, auch das gesamte frühe Erwachsenenalter intensiv zu beleuchten, weil zu vermuten ist, daß durch intensive Kontaktpflege, attraktive Perspektiven im Verein und altersgemäße Judoangebote Erwachsene über einen wesentlich längeren Zeitraum im Judo-Verein gehalten werden können als bisher. Dazu ist es notwendig, alle Zielgruppen zu analysieren, in Hinblick auf ihre Motive zu untersuchen und entsprechende Praxiskonzepte zu erarbeiten und zu realisieren.

Erwachsenensport - ein Überblick

Wir haben es im Erwachsenensport mit einer Zeitspanne von ca. 50 Jahren des Sporttreibens zu tun. Diese Zeitspanne ist geprägt von den unterschiedlichsten Motivationen, Interessen, sozialen Umschwüngen und sportmotorischen Möglichkeiten. Das Erwachsenenalter läßt sich von der sportlichen Entwicklung her betrachtet in drei große Phasen einteilen:

Das frühe Erwachsenenalter (18/20 - 30/35) ist geprägt durch die Ausprägung und Festigungsportlicher Bewegungsmerkmale und der konditioneller Fähigkeiten. Zu beobachten ist aber, daß es zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts schon zu bedeutenden Leistungseinbußen bei Nichttrainierenden kommen kann.

So ist das mittlere Erwachsenenalter (30/35 -45/50) geprägt durch den allmählichen Leistungsrückgang.

Diesen altersbedingten und schrittweisen Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit nennen wir Involution.

Das späte Erwachsenenalter (ab 45/50) ist durch einen deutliche Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit geprägt.

Sportliche Leistung ist ein sehr komplexes Gebilde. Durch kontinuierliches Training lassen sich insbesondere die konditionellen Fähigkeiten und hier besonders die Ausdauer und die Kraft ziemlich lange auf einem relativ hohen Niveau halten. Von dem Prozeß der Involution sind in besonderem Maße die Schnelligkeit und Schnellkraftfähigkeit, sowie die Beweglichkeit betroffen. Koordination und Bewegungslernen sind weitere Fähigkeiten, die sich im Alterungsprozeß ohne Training nach und nach negativ verändern. Als oberster Trainingsgrundsatz gilt im Erwachsenensport:

Nur regelmäßige Übung und Beanspruchung erhalten die körperliche Leistungsfähigkeit. Gar keine oder zu geringe sportliche Betätigung führt zwangsläufig zu Leistungsminderung und früherem Altern.

Im mittleren Erwachsenenalter kommen, bedingt durch den Prozeß der Involution, zusätzliche psychische Schwierigkeiten hinzu. Beim Wiedereinsteiger ist zum einen eine falsche Bewegungsvorstellung, d.h. der Wiedereinsteiger meint noch zu wissen "wie es geht", aber die tatsächliche sportliche Bewegungsausführung stimmt nicht mehr mit dem ehemals Gekonnten überein. Beim Neueinsteiger ist es vielfach ein mangelndes Selbstvertrauen in die sportliche Leistungsfähigkeit aufgrund mangelnder sportlicher Erfahrung. Hinzu kommt vielfach nach geraumer Übungszeit ein Sich-begnügen mit dem Erreichten, gleichgültig ob neu Erlerntem oder schon Gekonntem, was es dem Übungsleiter nicht gerade erleichtert, Neues zu vermitteln und zum Ausprobieren anzuregen.

2.1 Das Frühe Erwachsenenalter

Bei regelmäßig trainierenden Wettkampfsportlern ist deutlich die Ausprägung individueller Bewegungsmerkmale zu erkennen. Es verfestigen sich die Erfolg versprechenden Techniken, die dem eigenen Körperbau und der Konstitution angemessen sind (wettkampfstabile Techniken). Der Sportler entwickelt seinen individuellen Handlungskomplex, d.h. für ihn sinnvolle vorbereitende und nachbereitende Techniken um eine Haupttechnik herum. Zugleich ist beim Wettkampfsportler aufgrund der Randori- und Wettkampferfahrung ein Mäßigungs- und Ökonomisierungsprozeß zu erkennen. Zusehends gelingt es besser, taktische Handlungen konsequent durchzuführen und Wettkampfstrategien durchzuhalten.

Der Unterschied zwischen trainierenden und nicht trainierenden Menschen ist sehr krass. Während beim Nichttrainierenden zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts ein deutlicher Rückgang der sportlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere in den Bereichen Schnelligkeit, Koordinationsfähigkeit, Bewegungslernen, Beweglichkeit festzustellen ist, kann dieses Alter für den regelmäßig Trainierenden das “höchste” Leistungsalter sein. Insbesondere in den Kampfsportarten, in denen Technik, koordinative Fähigkeiten, taktische Erfahrung und Kraft eine entscheidende Rolle spielen wie im Judosport, können bis in vierte Lebensjahrzehnt hinein noch höchste Leistungen auf Gruppen- oder Bundesebene erzielt werden.

2.1.1 Fazit für das Training mit aktiven Wettkampfsportlern

  • Training ist im Bereich des Erwachsenen-Leistungssports zu individualisieren.
  • Die Erarbeitung und Stabilisierung eines individuellen Handlungskomplexes stehen an erster Stelle.
  • An den individuellen konditionellen Schwachstellen ist entsprechend zu arbeiten.
  • Technik, koordinative Fähigkeiten und Beweglichkeit sind auf einem hohen Niveau zu halten.

2.1.2 Fazit für das Training mit Breitensportlern

  • Während im Bereich des Leistungstrainings Regelmäßigkeit vorausgesetzt ist, ist diese für den Neu- oder Wiedereinsteiger zunächst einmal anzustreben und für Nachwettkämpfer beizubehalten. Bindung an eine Gruppe/Verein und regelmäßiges Trainieren sind Eckpfeiler im Sport mit Erwachsenen. Geht im frühen Erwachsenenalter das Bedürfnis nach wöchentlich regelmäßigem Sporttreiben zurück, oder wird gar nicht ausgebildet, so fällt der Einstieg nach dem 30ten Lebensjahr wesentlich schwerer. Durch die "äußeren Bedingungen wie Berufsausbildung, Familiengründung und Bindung in anderen sozialen Gruppen (tertiäre Sozialisation) fällt diese Regelmäßigkeit zusehends schwerer.
  • Im Bereich des Breitensports ist das Training an den individuellen Bedürfnissen der Sporttreibenden auszurichten, d.h. Motive und Interessen im Training zu berücksichtigen und ernst zunehmen ("Dienstleistungsverpflichtung" des Sportvereins).
  • Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse bedeutet überdies, die beruflichen Anforderungen zu analysieren, durch das Sporttreiben auszugleichen und berufsbedingte Einseitigkeiten und Fehlhaltungen entgegenzuwirken.
  • Rahmenbedingung für den Erhalt der sportlichen Leistungsfähigkeit ist neben der Regelmäßigkeit eine gesunde Lebensweise und hierbei insbesondere eine ausgewogene Ernährung und der weitgehende Verzicht auf Alkohol und Zigaretten.

2.1.3 Die Aufgabe des Übungsleiters im Erwachsenensport

  • Bei der Koordination der verschiedensten Motive, Interessen und Bedürfnisse innerhalb des Vereins und der Übungsstunde, hat der Übungsleiter eine verantwortungsvolle Aufgabe. In Einzelgesprächen erhält er eine Vielzahl von Informationen, die es auszuwerten gilt, um die Übungsstunden entsprechend ansprechend für viele zu planen (Sind die Teilnehmer/innen mehr fitnessorientiert, haben sie Spaß an der Selbstverteidigung, wo sind Schwerpunkte im nächsten Vierteljahr zu setzen?...). Die Aufgabe des Übungsleiters im Erwachsenensport erschöpft sich keinesfalls darin, ein altesgerechtes, sportliches Programm mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchzuführen. Er/sie ist Mittrainierende/r und sollte sich seiner/ihrer sozialen Rolle als vorbildliches Gruppenmitglied bewußt sein. Der Übungsleiter im Sport mit Erwachsenen ist nicht Alleswisser und Alleskönner ("Oberlehrer"), sondern Initiator eines individuellen Teilnehmer-Lerngeschehens. Offene Aufgabenstellungen, Gruppenarbeit, Arbeit mit Video usw. lösen vielfach das Vormachen-Nachmachen-Unterrichtsschema ab. Der dem Training sich anschließende gesellige Teil gehört ebenso zu seinen "unterrichtlichen" Verpflichtungen und erleichtern die sorgfältige Nachbereitung und die folgende Vorbereitung des Unterrichts.
  • Sporttreiben im Erwachsensport beschränkt sich eben gerade nicht nur auf das rein Sportliche, sondern ist zugleich gesellschaftlich/gemeinschaftlich motiviert. Sporttreiben hat einen großen Freizeit- und Erholungswert. Aufgabe des Übungsleiters und des Vereines ist es deshalb, Sportangebote zu gestalten. Sporttreiben stellt sich als ein Teil des Kulturellen dar, und ist ebenso Ausdruck eines Lebensgefühls, eines Life-styles, (und dient der Selbstinszenierung) wie es auch Ausdruck des ernstgemeinten Gesundheitsbedürfnisses ist.

2.2 Das mittlere Erwachsenenalter

Der Prozeß der Involution wird für den Sporttreibenden deutlich körperlich bemerkbar. Besonders in den bereits genannten konditionellen und koordinativen Fähigkeiten ist eine stetige Rückentwicklung der sportlichen Leistungsfähigkeit nicht zu übersehen. Natürlich gilt auch hier, daß regelmäßiges Training den Prozeß verlangsamt, kein Training oder wenig sportliche Betätigung den Prozeß jedoch erheblich beschleunigt.

2.2.1 Fazit für das Training

  • Besonders bei den Zielgruppen der Neu- und Wiedereinsteiger ist verstärkt die individuelle Leistungsfähigkeit der Sporttreibenden zu beachten (Vorsichtige Setzung von Belastungsparametern, Verteilung des Lernstoffes usw.). Selbstverständlich gilt dieser Grundsatz auch für die bis dato regelmäßig Trainierenden.
  • Im Übungsprozeß müssen insbesondere die Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, sowie die Schulung der Beweglichkeit und Koordination als Grundlage für eine saubere Judotechnik im Vordergrund stehen. Das Judo-Sportabzeichen bietet hierfür ein durchdachtes Angebot, daß jüngere wie Ältere Erwachsene gleichermaßen anspricht.

2.2.2 Einbindung erfahrener Sportler

Der Sportler, der regelmäßig trainiert hat, bringt ein hohes Maß an Erfahrung und Wissen mit. Natürlich ist es zu spät, erst jetzt den Sportler zur Übernahme von Nachwuchsgruppen, als Betreuer, Trainer oder Kampfrichter zu gewinnen.

Eine Maxime des Erwachsenensports muß deshalb lauten, den Sportler schon frühzeitig, d.h. auch noch während der aktiven Wettkampfphase und im frühen Erwachsenenalter, mit kleinen, überschaubaren und eigenverantwortlich zu lösenden Aufgaben zu betrauen, ihn langsam an die pädagogische Aufgabe heran zu führen, oder für organisatorische Aufgaben zu schulen und zu interessieren.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß diejenigen länger beim Judo geblieben sind, die rechtzeitig mit pädagogischen Aufgaben konfrontiert wurden. Auch ohne Lizenzierung sollten sich Vereine nicht scheuen, Sportlerinnen und Sportler mit entsprechenden technischen Fähigkeiten und pädagogischen Interesse aktiv in die Vereinsarbeit einzubeziehen. Wichtig ist dabei vor allem zunächst die Überschaubarkeit der übertragenen Aufgabe. Anleiten und Organisieren will langsam erlernt sein. Vereine verlangen aufgrund des rückläufigen Engagements im Ehrenamt von “Neulingen” oft zu viel. Zu schnell ist das Zeitbudget des “Neuen” überzogen, ist er mit der gestellten Aufgabe überfordert. Entmutigung und die Frage “Wozu das alles?” sind die Folge, und folglich schrumpft das Interesse sich neuerdings im Verein einzubringen.

2.3 Das späte Erwachsenenalter

Die Rückbildung der sportliche Leistungsfähigkeit ab dem fünften Lebensjahrzehnt verläuft sehr individuell. Auch schon kleine, aber täglich ausgeführte sportliche Leistungen verlangsamen den Prozeß der Involution erheblich. Sporttreiben ab 50 ist heute eine Normalität. Inzwischen hat sich das Bild des aktiven Alterssportlers gegenüber dem des jugendlichen Leistungssportlers etabliert.

Als Grundsatz für das Sporttreiben ab 50 gilt:

Man ist nie zu alt zum altersgemäßen Sporttreiben. Im Judo-Unterricht müssen die individuellen Faktoren (technische Fertigkeiten und konditionell/koordinative Fähigkeiten des einzelnen Judoka) verstärkt Berücksichtigung finden.

2.3.1 Fazit für das Training

Altersgemäßes Sporttreiben ab 50 bedeutet vor allem, die Ausdauer zu stärken und die Beweglichkeit zu erhalten. Regelmäßiges Jogging oder auch ausgedehnte Wanderungen, im Judo insbesondere die Bodenarbeit zur Beweglicherhaltung und Übungsformen im Stand, bei denen nicht das Werfen im Vordergrund steht (Judo-Sportabzeichen!), sind altersgemäße Betätigungsformen. Die Selbstverteidigung oder das Katatraining sind Übungsformen, bei denen sich Partnerwiderstand und Eigenaktivität gut selbstständig dosieren lassen. Eine individuell dosierte Funktionsgymnastik sollte insbesondere den Stütz- und Bewegungsapparat kräftigen und flexibel erhalten. Mit fortschreitendem Alter lernt der Sportler neue Bewegungen langsamer und im allgemeinen weniger präzise. Es sind deshalb im Technikerwerbtraining sinnvolle methodische Reihen zu wählen, Partner- und Orientierungshilfen einzuplanen.

Zielgruppen-Analyse

Mit Blick auf die Vereinspraxis unterscheide ich drei Zielgruppen im Erwachsenensport:

    • Die Gruppe der Nachwettkämpfer
    • Die Gruppe der Wiedereinsteiger
    • Die Gruppe der Neueinsteiger

Alle drei Gruppen bringen unterschiedliche Interessen und Vorerfahrungen in den Judounterricht mit.

Trainieren alle drei Typen von Erwachsenensportlern zusammen in einer Breitensportgruppe, so kann es zu erheblichen Differenzen zwischen Erwartung an den Judo-Unterricht und Unterrichtswirklichkeit kommen.

Der Übungsleiter muß Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht ergreifen, um die verschiedenen Interessen in den Trainingseinheiten aufzugreifen und unregelmäßigem Trainingsbesuch oder gar Vereinsaustritten vorzubeugen. Bindung an die Gruppe und Regelmäßigkeit entstehen durch motivierende Trainingsangebote. z.B. können dieselben Techniken sowohl selbstverteidigungs- als auch wettkampfbezogen unterrichtet werden, zuvor für die Gürtelprüfung erarbeitete Techniken können in Kata-Form für eine Vereinsdemonstration einstudiert werden usw. Obwohl sich die drei Zielgruppen nicht dem Alter nach einteilen lassen, weil z.B. ein Nachwettkämpfer erst mit 35 aus dem aktiven Wettkampfsport ausscheidet, ein Wiedereinsteiger aber bereits mit 26 nach 5 Jahren Pause erneut mit dem Judo beginnt, verdeutlicht nachstehende Abbildung eine grobe Zuordnung:

Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer findet sich im frühen Erwachsenenalter, die Zielgruppe der Wiedereinsteiger sowohl im frühen als auch im mittleren Erwachsenenalter und die Zielgruppe der Neueinsteiger ebenfalls vorwiegend im frühen Erwachsenenalter. Neu- und Wiedereinsteiger im späten Erwachsenenalter gibt es kaum. Ziel konzeptioneller Überlegungen muß es sein, die "weißen Flecken" zu überprüfen: Besteht seitens des DJB und seitens der potentiellen Judosportler Bedarf, diese Gruppen durch ansprechende Judoangebote zu aktivieren und kann Judo überhaupt für diese Zielgruppen eine attraktive Sportart sein?

3.1 Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer

Die Zielgruppe der Nachwettkämpfer ist durch bessere körperliche und judotechnische Voraussetzungen ausgezeichnet als sie andere Breitensportler mitbringen. Die Leistungsfähigkeit ist jedoch nicht mehr so wie früher. Besonders ab Mitte dreißig ist auf nationalem Niveau das Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit (auch bedingt durch Sportschäden) und der Kampfkraft nicht mehr zu übersehen, wird jedoch von Kämpfer selbst ungern innerlich akzeptiert. Deshalb fällt vielen der Ausstieg so schwer.

Im Gegensatz zum Schwimmen und der Leichtathletik gibt es im DJB noch keine Meisterschaften nach Alterskategorien unterteilt. Denkbar wären Turniere für Sportler/inne über 35 bzw. über 45 mit entsprechend angepaßten Gewichtsklassen. Um solche Wettkampfformen zu etablieren, sollten die Landesverbände anstreben, insbesondere auf Vereins-, Kreis- oder Bezirksebene solche Turniere mit ansprechendem geselligen Rahmen zu realisieren. Durch den Wechsel ins "Altenlager" ändert sich für den Judoka im sozialen Umfeld einiges: Er kann keine direkt vorweisbaren sportlichen Erfolge mehr aufweisen und steht folglich nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit (gleichgültig ob auf Kreis- oder Bundesebene) und erhält keine direkte Belohnung mehr für das Training (Medaillen, Urkunden ...). Als Reaktion "schmeißt" der Judoka dann alles hin und "wurde nicht mehr gesehen".

Der Übergang von der Wettkampf- in die Nachwettkampfphase sollte in Zusammenarbeit von Verein, Trainer und Wettkämpfer langfristig geplant werden, um einen "Rentenschock" zu vermeiden. Keinesfalls darf es zu einem Übergang von der Aktivität in die Passivität kommen. Schon während der Wettkampfzeit sollten dem Judoka Perspektiven für die Nachwettkampfzeit aufgezeigt werden und Weiterbildung in Bezug auf Kampfrichterwesen, Trainer-, Jugendleitertätigkeit usw. erfolgen. Trotz der Trainings- und Wettkampftermine sollten Trainer und Vereine dem Sportler die Zeit geben, sich solches Nachwettkampf-Wissen anzueignen. Gehen nämlich diese Sportler dem Judoverein verloren, so verläßt mit ihm ein ungemein wertvolles Erfahrungswissen den Verein.

Der ehemalige Wettkampfsportler ist ein Training unter anderen Zielsetzungen gewohnt. Ziele wie Fitnesserhalt, Prüfungen, Kata-Demonstration oder Selbstverteidigung sind für ihn neu und müssen ihm erst nahegebracht werden. Übungsleiter im Breitensport tun gut daran, ihre Ziele ebenso klar zu definieren, wie dies im Wettkampfbereich oftmals der Fall ist, d.h. Unterricht zu planen und auszuwerten. Fitnessteile sollten so individuell dosierbar sein, daß jeder sich selbst nach eigenem Ermessen fordern kann.

In gemischten Breitensportgruppen besteht die Gefahr, daß der Nachwettkämpfer aufgrund seines Judowissens und seiner Randori-Routine andere Mitglieder entmutigt und sich diese an den Rand gedrängt fühlen. Ziel sollte es deshalb sein, den Nachwettkämpfer aktiv und gruppenfördernd in die Arbeit auf der Matte einzubinden. Er soll seine Erfahrungen einbringen können (z.B. durch Kurzlehreinheiten, Beobachtungs- und Korrekturaufgaben ...), und zugleich das Gefühl bekommen, gebraucht zu werden. Wichtig ist dabei der Grundsatz, solche Einbindung und Übertragung von Aufgaben schrittweise und langsam vorzunehmen (keine Überforderung! s.u.).

3.2 Die Zielgruppe der Wiedereinsteiger

Bedingt durch Familie, Berufsausbildung und Existenzaufbau, Wohnungswechsel, Bundeswehr usw., aber auch durch Verletzungen steigen viele Judoka im Alter ab 18 Jahre aus dem Judo aus. Einige kehren dem Judosport ganz den Rücken, andere aber suchen den Kontakt zu einer Judogruppe bewußt nach einiger Zeit wieder.

Die endgültige Abwendung Erwachsener vom Judosport hat einen nicht zu vernachlässigenden vereinsorganisatorischen Kern: Viele ehemaligen Mitglieder im Verein würden, danach befragt, gerne einmal wieder beim Training vorbeischauen und natürlich auch mitmachen. Oftmals fehlen nach geraumer Zeit aber die Kontakte zum Verein oder Trainer, die Trainingszeiten ändern sich, der Sportler nimmt es sich vor zu kommen und steht vor "verschlossenen" Türen oder aber er ist da, kennt aber aufgrund der Fluktuation innerhalb der Trainingsgruppe keinen mehr - Die Schwelle zum Wiedereinstieg wächst in allen diesen Fällen.

Ein gut organisierter Verein könnte hier im Vorwege Weichen für den Wiedereinstieg stellen: Eine ordentlich geführte Mitgliederdatei, immer auf dem neuesten Anschriftenstand, gibt Auskunft über Geburtstage der “Ex-Mitglieder”, besondere Familienfeiertage (Hochzeitstag ...) und außersportliche Fähigkeiten (Beruf, Hobbys ...). Der Geburtagsgruß wird genauso selbstverständlich an das Mitglied gesandt wie die Einladung zur Weihnachtsfeier der Wettkampfmannschaft, zur Vereinsmeisterschaft, Mitgliederrundschreiben, Trainingszeitenänderungen oder einem Großturnier vor heimischem Publikum. Besonders über das Telefon können Vereine Kontakte aufrechterhalten.

Als Grundsätze der Kontaktbrücke Verein – ehemals Aktiver gelten:

  • Ist der Kontakt einmal zum Verein unterbrochen, so ist schwer an den ehemaligen Judoka wieder heranzukommen.
  • Ein beitragsfreies passives Mitglied im Verein ist besser als ein ehemaliges Mitglied, dessen Anschrift der Verein nicht hat.
  • Es sollte immer die persönlichste Ansprache des Ehemaligen gesucht werden: Auf einem Turnier direkt ansprechen ist besser als telefonieren, telefonieren ist besser als ein Brief, eine persönliche Karte ist besser als ein Mitgliederrundschreiben.

Wiedereinsteiger stellen in der unterrichtlichen Betreuung die höchsten Anforderungen an den Übungsleiter: Die ehemaligen Aktiven meinen zu wissen, was in der Übungsstunde auf sie zukommt, und sie meinen zu wissen, was sie können. Der zeitliche Abstand von der aktuellen Trainingssituation wirkt jedoch wirklichkeitsverzerrend. Deshalb kommt es meist nach den ersten Trainingsabenden zum “Frust”: Früher war das Training viel besser ...

  1. Wiedereinsteiger glauben zu wissen, was sie können: Dies ist insofern richtig, als sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn eine Technik "richtig" gelingt, d.h. unter den körperlichen Voraussetzungen damals. In der Zeit des Nichttrainierens haben sich aber die persönlichen körperlichen Voraussetzungen verändert; ehemals erworbenes Bewegungsgefühl und aktuelle körperliche Fähigkeiten stimmen nicht mehr überein; Techniken gelingen nicht mehr rund, oder nur mit großem zusätzlichen Kraftaufwand.
  2. Wiedereinsteiger unterschätzen die körperlichen Anforderungen und überfordern sich deshalb in vielerlei Hinsicht: Die nachlassenden konditionellen Fähigkeiten führen zu Unkonzentriertheit im Techniktraining und Randori und erhöhte Verletzungsanfälligkeit ist die Folge. Das Nachlassen von Beweglichkeit und Koordination kann zu ungewollten Partnereinwirkungen führen.

Der Übungsleiter steht bei der Gruppe der Wiedereinsteiger deshalb ständig vor der Notwendigkeit, diese zu bremsen, damit keine Überforderungen auftreten. Zum anderen muß er aber die Übungsformen so aktiv gestalten, daß beim Judoka das Gefühl entsteht, wieder “richtiges” Judo zu machen. Zugleich soll in möglichst kurzer Zeit ein möglichst genaues neues Bewegungsgefühl aufgebaut werden. Alle Möglichkeiten der Schmerzvermeidung wie viel Bodenarbeit, Fallen auf Weichbodenmatten, Uchi-komi aus verschiedenen Bewegungsrichtungen statt Werfen usw. sollten ausgenutzt werden.

Viele der Wiedereinsteiger sind als Danträger höher graduiert als die Teilnehmer der Gruppen, in denen sie mittrainieren wollen. Somit ist der Wiedereinsteiger sofort aus seiner Anonymität gerissen: Die Noch-Wettkämpfer der Gruppe wollen sich an ihm messen, und die Nicht-Wettkämpfer akzeptieren zumeist nicht das einfache Nur-Mitüben-Wollen des Wiedereinsteigers. Übungsleiter solcher Gruppen sollten den Wiedereinsteiger nicht in eine verpflichtende Rolle zu drängen. Randoris lassen sich als Yakusoku-geiko gestalten, der Partner des Wiedereinsteigers kann entsprechende Aufgabenstellungen erhalten, die ein unverkrampftes Randori ermöglichen. Erst wenn der Wiedereinsteiger einige Male das Training besucht hat, sollte man ihn fragen, ob er einmal eine Kurzlehreinheit von 15 Minuten in einer Unterrichtsstunde übernehmen möchte, - natürlich mit der entsprechenden Vorbereitungszeit zur nächsten Woche und nie ad hoc!.

Am günstigsten ist es, wenn viele Ehemalige auf einmal wieder einsteigen. Die Probleme der Überforderung, der sinnvollen Übungsauswahl und der Einbindung in eine Übungsgruppe lassen sich wesentlich besser in den Griff bekommen. Bewährt hat sich in der Vereinspraxis die Einrichtung eines “Veteranen-Treffs”, d.h. das alle Ehemaligen regelmäßig ein- oder mehrmals im Jahr vom Verein zu einem Ehemaligentreffen mit vorausgehendem Training eingeladen werden.

3.3 Die Zielgruppe der Neueinsteiger

Ist die Sportart Judo eine Sportart für Erwachsene, die sich neu in der Sportlandschaft orientieren? Die Frage läßt sich eindeutig beantworten: Derzeitig nicht!

In allen medienwirksamen Publikationen und TV-Sendungen (Zeitschriften, DSF ...) spielen die Kampfsportarten eine untergeordnete Rolle. Schuld hat nicht zuletzt eine Sportart wie Judo selbst an ihrer Darstellung und Betonung des Wettkampfsports. Der Gesundheits- und Fitnesswert der Sportart Judo wird kaum erwähnt, hierbei macht Tai-qiquan das Rennen, und auf dem "Markt" für Selbstverteidigung für Erwachsene tummeln sich kommerzielle Anbieter, aber nicht die Judovereine.

Zu beobachten ist, daß es im frühen Erwachsenenalter überwiegend Frauen sind, die den Weg zum Judo finden und eine zeitlang aktiv bleiben. Ihr Interesse ist vornehmlich die Selbstverteidigung. Für die Neuwerbung von Mitgliedern ist deshalb ein überzeugendes Konzept für die Judo-Selbstverteidiung insbesondere für die Zielgruppe der Frauen zu erarbeiten. Bewährt hat sich die Kursform mit 8 bis 10 Übungsstunden, ein überschaubarer Zeitraum also, ohne Beitrittsverpflichtung zum Verein. Die Sportvereine stehen bei solchen Selbstverteidigungs-Angeboten in starker Konkurrenz zu Volkshochschulen und kommerziellen Anbietern und sollten sich deshalb an deren Werbestrategien und Angeboten orientieren. Dabei sollten die Vereine zwar keine falschen Versprechungen machen (“In acht Wochen selbstbewußt und sicher!”), aber auch nicht den Wert des Judosports für Körper und Psyche kleinreden. Um Kursteilnehmer/innen zu werben, ist es sinnvoll, wenn die Kurszeit in die Nähe der später in frage kommenden Übungsgruppenzeit gelegt wird, so daß ein Ausblick in das normale Training möglich wird. Judo ist derzeitig keine Einsteigersportart für Ältere ab 35/40.

Ein Konzept für Neueinsteiger/innen in diesem Alter sollte sich am Gesundheit- und Fitnesswert der Sportart Judo und am Nutzen für die Selbstverteidigung orientieren. Als Zielgruppe sind insbesondere Eltern von Kindern, die Judo betreiben, und Ehepartner von aktiven Breitensportlern, zu nennen. Die Hemmschwelle ist jedoch enorm groß und Berührungsängste mit der Sportart müssen behutsam abgebaut werden. Im Rahmen eines “Tags der offenen Tür” lassen sich z.B. durch die Trimmspiele in lustiger und spielerischer Form vielleicht auch die Eltern motivieren, auf die Matte zu kommen, wenn die Kinder als Helfer eingesetzt sind. Teile des “normalen” Erwachsenen-Judo-Trainings können so gestaltet werden, daß die Neueinsteiger/innen die Gymnastik, Koordinationsschulung und die Kleinen Spiele mitmachen können, den judospezifischen Teil aber zunächst auslassen, wenn sie wollen. Nach und nach kann eine behutsame Vermischung mit judotechnischen Inhalten erfolgen und vielfach kommt der Spaß am Judo dann ohne weiteres Zutun. Die Angst vor der Verletzungsgefahr beim Fallen und vor dem ungewohnt engen Körperkontakt zu fremden Menschen müssen vom Übungsleiter sehr ernst genommen werden. Entsprechende methodische Maßnahmen, die ein behutsames und spielerisch-ablenkendes Heranführen an die Judotechniken zum Ziel haben, müssen ergriffen werden.

    

Judospezifische Möglichkeiten und Übungsformen des altersgemäßen Sporttreibens im Erwachsenensport

Ein spezielles Judo für Ältere gibt es nicht! Übungsstunden im Erwachsenensport sollte aber die Motive zum Judotreiben aufgreifen und der körperlichen Entwicklung Rechnung tragen. Neben anderen treten zwei Motive im Judo mit Erwachsenen besonders hervor: Zum einen ist dies der Wunsch, Judo selbstverteidigungsbezogen zu erarbeiten, zum anderen sich durch Judotraining fit zu halten.

Beide Motive bedürfen unterrichtlicher Konzepte. Der Bereich Judo-Selbstverteidigung ist durch die Kyu-Ausbildungs- und Prüfungsordnung von 1994 hinreichend aufgearbeitet. Zusätzliche Unterrichtsmaterialien werden nach und nach erstellt werden. Für den Bereich Fitnesstraining durch Judo wurde das Judo-Sportabzeichen konzipiert, das besonders die Ausdauerfähigkeit und die individuelle Selbsteinschätzung sportlicher Leistungsfähigkeit betont.

Welchen methodischen Überlegungen müssen Stundengestaltung und ausgewählte Übungsformen im Erwachsenensport standhalten?

  1. Je älter man als Judosportler wird, desto weniger gern fällt man hart, d.h. groß und mit Liegenbleiben. Es sollten also Übungsformen gewählt werden, bei denen das Werfen entfällt (Bewegungs-Uchi-komi), die Fallhöhe gering ist (Kniestand), der Partner den Fall selbständig steuern kann (aktive Rolle Ukes)
  2. Der Anteil der Bodenarbeit innerhalb der Übungszeit steigt mit zunehmendem Alter.
  3. Weil sich die Verletzungsgefahr durch nachlassende körperliche Voraussetzungen erhöht, steht eine "saubere" Wurftechnik beim Techniktraining im Vordergrund. Unkontrolliertes Mitfallen zum Boden oder Auf-den-Partner-Fallen sollten vermieden werden.
  4. Die Übungsform Kata sollte, vor allem durch das Einüben von Kurz-Katas für Vereinsdemonstrationen oder für Einlagen bei Turnieren (auch als Synchron-Katas), einen festen Platz in den Übungsstunden erhalten.
  5. Verstärkt sollte sich ein entspanntes, lockeres Bewegungsjudo ausprägen, ohne starken Krafteinsatz. Der Partnerwiderstand sollte bei den Übungsformen individuell dosierbar sein.
  6. Judo mit Älteren bedeutet nicht, daß nur Grundtechniken unterrichtet werden. Auch nicht mehr aktive Wettkämpfer wollen aktuelle Wettkampftechniken kennenlernen, üben und auch im Randori anwenden lernen.
  7. Judounterricht muß die Gelegenheit zum “Fachsimpeln” bieten. Neben Eigenständigkeit beim Techniktraining bietet der Einsatz von Video auch die Möglichkeit, aktuelle Wettkampfsequenzen im Unterricht zu zeigen.

Folgende praktische Unterrichtshilfen wurden seitens des DJB für das Judotraining mit Erwachsenen bereits erarbeitet und vorgestellt bzw. werden z.Zt. erarbeitet:

Judo als Selbstverteidigung (Unterrichtsmaterialien werden z.Zt. erstellt)

Als Nachbereitung des Workshops im April 1997 in Hamburg wird es noch im Herbst 1997 eine Broschüre mit theoretischen Beiträgen und konkreten Praxistips geben. Darüber hinaus wird gerade ein Video zum Wahlprogramm der Ausbildungs- und Prüfungsordnung erstellt, das ebenfalls im Herbst fertiggestellt sein wird.

Judo-Sportabzeichen

Das Programm, erarbeitet von Klaus Keßler und Studenten der DSH Köln, sowie ausführliche Vorbereitungsmaterialien (Michael Weyres in Judo-Magazin xx/1997) und ein offizielles Lehrvideo des DJB liegen vor. In einer wissenschaftlichen Untersuchung, die in Leipzig durchgeführt wurde, wurde das hervorragende, an der individuellen Fitness ausgerichtete Programm und der Wert insbesondere für das Herz-Kreislaufsystem hervorgehoben.

Traditionelle Kata und Freie Kata

Die Expertenkommission des DJB zu den traditionellen Kata hat inzwischen erste sehr gute Ergebnisse bei der Vereinheitlichung der Kata erzielen können. Man einigte sich bei Gonosen-no-kata, Ju-no-kata, Kime-no-kata und Goshin-jitsu-no-kata relativ zügig. Zur Gonosen-no-kata wird es ebenfalls im Herbst 1997 ein offzielles Lehrvideo geben. Die Kime-no-kata und Goshin-jitsu-no-kata werden zusammen mit dem SV-Wahlprogramm zur Dan-Prüfung auf einem eigenen Video Anfang 1998 erhältlich sein.

Die Bereiche Deutsche Kata-Meisterschaft und Jugend-Kata-Pokal müssen in der nächsten Zeit einer grundlegenden Revision unterzogen werden. Insbesondere muß die Kata-Meisterschaft für andere Kata als Nage-no-kata geöffnet werden; für den Jugendbereich muß eine attraktive, jugendgerechte Darstellung gefunden werden, die Jugendliche motiviert, sich aktiv mit dem Thema Kata auseinanderzusetzen. Möglichkeiten werden gerade in Hessen erprobt (S.Kubach wird berichten).

Durch das Judo-Sportabzeichen, durch mehrere neuere Veröffentlichungen im Judo-Magazin (u.a. 01/95), sowie durch die Artikel von W.Hofmann in den 70er Jahren ist das Thema Freie Kata wieder in die Diskussion aufgenommen worden. Mit engagierten Übungsleitern läßt sich mittels Freier Katas schon im Training mit Jugendlichen eine Systematisierung von Judowissen erreichen, die weit über das rein Darstellerische und den Show-Effekt hinausgeht.

Unterrichtseinheit: Judo-Angebote im Erwachsenensport sinnvoll differenzieren

Im Rahmen der Judo-Lehrer-Ausbildung, der breitensport-orientierten Weiterbildung im DJB, wird insbesondere auf diese Problematik hingewiesen und mit den Teilnehmer/innen entsprechend vielseitige und motivierende Angebote erarbeitet.

Bewegungsformen ohne hartes Fallen

Zuletzt bei der Internationalen Judo-Sommerschule des DJB in Lindow 1997 stellt Ulrich Klocke seine Unterrichtseinheit zum Thema “Werfen ohne hart zu fallen” vor.

Entspannungstechniken im Judotraining

Neben der vielseitigen Fachliteratur, gab es auch im Judo-Magazin (6-8/95) eine Serie zu diesem Bereich. Als Möglichkeit des “Abschlaltens vom Alltag” und Trainingsausklang benötigt der Übungsleiter im Breitensport mit Erwachsenen ein großes Repertoire an entsprechenden Übungen.

Schulung der aeroben Ausdauer durch judospezifische Übungen/Elemente; schulung der Fitness

Fitness-Training ist ein Schwerpunkt der Judo-Lehrer-Ausbildung. Die Konzeption für die zweite Lizenzstufe (entsprechend der Trainer-A-Ausbildung) ist in Vorbereitung; das Skript dazu wird allen Vereinen zugänglich sein.

Alternative Wettkampfformen im Breitensport Planung, Organisation, Durchführung

Es gibt im Judo keine Altersklassen-Wettkämpfe. Sinnvolle alternative Wettkampfformen für Ältere, aber auch Breitensport-Wettkampfformen für mehrere Altersgruppen zusammen zu entwickeln und zu erproben muß eine Aufgabe von DJB und Landesverbänden sein.

Judofremde Bewegungsangebote

Es wurde im Judo-Magazin bereits das Qigong vorgestellt. Auch weitere chinesische Bewegungsformen sind in den Judo-Unterricht integrierbar. Zu beachten ist aber: Wer sich für den Judosport seit mehreren Jahren interessiert, möchte Judo machen und auch “raufen”.

Literaturhinweise, Medien

Deutscher Sportbund, Red. M.Spangenberg
"Sport und Spiel für Leute über 60"
Frankfurt/Main, 1982

Deutscher Sportbund, Red. H.-O.Roth
"Wege zum Sport - Erwachsene lernen Sport -"
21. Modellseminar, Frankfurt/Main, 1989

Deutscher Sportbund, Red. R.Tobien
"Die Rolle von Leistungsvergleich und Wettkampf im
Freizeit- und Breitensport"
Frankfurt/Main, 3.1980

Hofmann, Wolfgang
“Hoho-Kata - Methodik-Kata”
in Judo-Revue 2.Jg., 7/77
Düsseldorf, 1977

Hofmann, Wolfgang
"Judo - Grundlagen des Stand- und Bodenkampfes"
Niedernhausen, 2.1978

Klaus Keßler
"Offizielles Lehrvideo des DJB zum Neuen
Judo-Sportabzeichen"
Overath, 1994

Klocke, Ulrich
"Bewegung im Strom"
Manuskrip des Autors

Pöhler, Ralf
"Judo-Kurzkata"
in Judo-Magazin 35.Jg., 1-4/95, Mainz, 1995

Pöhler, Ralf
"Entspannungstechniken im Judo-Unterricht"
in Judo-Magazin 35.Jg., 6-8/95, Mainz, 1995

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